Über die Rübensavanne geflutscht
Die meterspurige Kleinbahn des Landkreises Euskirchen wurde von der Bevölkerung kurz und bündig „Flutsch“ genannt. Der Ausdruck stammt wohl aus dem Niederdeutschen: Wenn etwas glatt vonstatten, flott und reibungslos vorangeht, dann flutscht es. Der Spitzname war sicherlich ironisch gemeint, denn bereits bei der Eröffnungsfahrt erreichte der Zug sein Ziel mit Verspätung.
http://de.wikipedia.org/wiki/Euskirchener_Kreisbahnen
Ein besonders markantes Detail der Streckenführung war die Durchfahrt durch den heute zu Erftstadt gehörenden Ort Lechenich. Hier mussten die Züge durch zwei enge mittelalterliche Stadttore. Eines dieser Stadttore, das Herriger Tor, dient als Vorbild für die Gestaltung der Mauerdurchfahrt von meiner Kellerbahn zum Schattenbahnhof in der Werkstatt:
Stadttor Porte Saint-Marie
Der Schwerpunkt der EKB lag beim Güterverkehr. Es wurden u. a. große Mengen Zuckerrüben und Braunkohle transportiert. Umfassende Informationen bieten die beiden, im Verlag Schweers + Wall erschienenen Bücher. Die neuere Ausgabe ist hier nachfolgend besprochen.
Henning Wall – Die Euskirchener Kreisbahnen – die erste Lenz-Kleinbahn im Rheinland – Schriftenreihe Historischer Schienenverkehr Band 15 – erschienen 1999 im Verlag Schweers + Wall, ISBN 3-89494-107-2, Hardcover gebunden, 175 Seiten, Großformat 21 x 28 cm.
Das Buch ist die überarbeitete und erweiterte Neuauflage des 1984 im selben Verlag erschienen Buches „Die Euskirchener Kreisbahn – Eine Kleinbahn zwischen Vorgebirge und Eifel“, ISBN 3-921679-17-6.
Zu Beginn der Geschichte der Euskirchener Kreisbahnen (EKB), oder Flutsch, wie der Volksmund die Meterspur-Bahn nannte, stand – wie fast bei allen nichtstaatlichen Eisenbahnprojekten – der Kampf mit den Kosten. Da wurde vieles billiger realisiert, um im Nachhinein umso teurer korrigiert werden zu müssen.
Der Autor erzählt anhand von Dokumenten, die teilweise im Buch abgedruckt sind, die Geschichte der Bahn, vom Beginn ihrer Planung um 1890 bis zur endgültigen Stilllegung Ende 1965. Bau und Anfangsjahre waren durchzogen von Rechtsstreitigkeiten, Enteignungen, Kompetenzgerangel und den besonderen Ansprüchen der Wacht am Rhein. Die Pickelhauben wollten genau festgelegt wissen, was, wie und von wem kaputt gemacht werden musste, falls der Erbfeind dem Rheinland einen unerwünschten Besuch abstatten sollte. Nicht ein gerader Schienennagel durfte den Franzosen in die Hände fallen.
Die ersten Betriebsjahre unter der Federführung von Lenz & Co., die weiteren Entwicklungen unter der Leitung durch die Westdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft (WEG), die Fortführung des Betriebes durch die Vereinigte Kleinbahnen AG (VKA) wie auch die Betriebsleitung durch den Landkreis Euskirchen nach dem Zweiten Weltkrieg werden in dem Buch ausführlich beschrieben. Als Teil des rheinischen Meterspurnetzes der WEG erfuhr die EKB ihre größte Bedeutung. Im Norden war der Anschluss an die Geilenkirchener Kreisbahn und im Süden an die Brohltalbahn geplant. Dem Omnibusbetrieb der EKB und der normalspurigen Zülpicher Industriebahn ist jeweils ein Kapitel gewidmet.
Nach einem Exkurs in die Geschichte des Personals und den damit verbundenen Geschichten, beschreibt der Autor sehr ausführlich die beiden Strecken der EKB, mit allen Bahnhöfen, Haltepunkten und Gleisanschlüssen: Die Erftstrecke, die aber nicht an der Erft entlang führte, und die Eifelstrecke, die gerade mal die Voreifel erreichte. Ein besonders markanter Abschnitt der Erftstrecke war die Ortsdurchfahrt von Lechenich. Hier mussten die Züge durch zwei mittelalterliche Stadttore, das Herriger Tor und das Bonner Tor. Die Torbögen sind so eng, dass damals auf der Erftstrecke kein Rollbockverkehr möglich war. Die neuen Triebwagen schrammten mit den Einstiegstritten die Seiten der Durchfahrten, weshalb die Tritte verändert werden mussten.
Der letzte Teil des Buches ist den Fahrzeugen gewidmet. Fast lückenlos wird der Bestand des Rollmaterials, seine Herkunft und sein Verbleib, dokumentiert. Zu den technischen Beschreibungen von Loks und Waggons gehört jeweils eine Zeichnung im Maßstab 1:87. Ein ausführlicher Quellen- und Literaturnachweis schließt das Werk ab.
Dieses, an historischen Dokumenten, Fotos, und Plänen reiche Buch über die Euskirchener Kreisbahnen ist ein gelungenes Werk für alle, die sich für Eisenbahngeschichte, insbesondere für die Geschichte von schmalspurigen Kleinbahnen, interessieren. Wegen der Fahrzeugzeichnungen dürfte es auch eine willkommene Quelle für Modellbahner sein. Die Durchfahrt von Lechenich wäre ein interessantes Modellbau-Projekt in Spur H0m, das man ggf. sogar in einem Regal unterbringen könnte.
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